Dienstag, 2. Juli 2013

Goldschmiedekunst - Kathrin Sättele

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Die Hildesheimerin Kathrin Sättele ist durch und durch eine Goldschmiedin – im wahrsten Sinne des Wortes und aus tiefer Überzeugung. Ihr zentrales Anliegen besteht darin, allein mit den Mitteln des Gold schmiedens einen ganz persönlichen Ausdruck für ihre ebenso ästhetischen wie tragbaren Schmuckstücke zu entwickeln. Das gelingt ihr über die Maßen gut, schwungvoll und dekorativ. Aus der Beschränkung schöpft sie eine inspirerende Kraft, die ihr Werk einzigartig macht. Unverwechselbar sind ihre Ketten, Broschen und Ohrschmuckstücke, in denen sich handwerkliche Perfektion mit genialem Erfindergeist und dem sicheren Gespür für ausgewogenen Gestaltung paart. 


Als Absolventin der Hildesheimer Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst ist Kathrin Sättele mit den aktuellen Strömungen im Bereich der Schmuckkunst und des Autorenschmuckes bestens vertraut. Doch sie ist den Verlockungen der freien Schmuckgestaltung nie ernsthaft erlegen.
Im Gegenteil. Schon sehr früh, während ihrer handwerklichen Lehre und Ausbildung bei verschiedenen Goldschmieden in Hildesheim, Bremen und Hannover, erkannte sie in sich selbst die leidenschaftliche Goldschmiedin – mit wenig Sinn für Buchhaltung und Reparaturarbeiten wie sie lachend zugibt. Daher wußte sie auch immer, dass sie zwar eine eigene Werkstatt, niemals aber ein Geschäft haben wollte. Während ihrer Ausbildung zur Diplomdesignerin hat sie sich mit allen Optionen und Möglichkeiten des Gold- und Silberschmiedens vetraut gemacht. Doch ihr Ziel blieb immer, vom Verkauf ihrer Goldschmiedarbeiten leben zu können. In ihrem Schmuck wollte sie also den Konsens von Tragbarkeit, guter Gestaltung und Individulität erreichen. Das ist ihr vortrefflich gelungen wie viele Auszeichnungen, unter anderen der Niedersächsische Staatspreis für das gestaltende Handwerk 2010, und viele begeisterte Kunden beweisen.

Ihr Lebens- und Arbeitsmittelpunkt liegt in einem Hildesheimer Hinterhof. Ein üppig begrüntes Backsteinhaus, in guter Nachbarschaft mit einem Motorradschrauber und einem Steinmetz, beherbergt die Atelierwerkstatt. Seit dem Jahr 2000 leisten sich Kathrin Sättele und die Gold- und Silberschmiedin Marit Bindernagel dort Gesellschaft. Gemeinsam renovierten sie das Haus und legten das Grün drumherum an. Ihr Austausch beschränkt sich nicht nur profan auf den Werkzeug-Fundus sondern lebt und wirkt vor allem in freundschaftlichen Gesprächen und ernsthafter Fachsimpelei.

Vergeblich sucht man nach Vorbildern zu Kathrin Sätteles Schmuck. Ein wenig wirkt er so, als hätte er Verwandtschaft im Jugendstil. Aber nur etwas. Viel mehr drängen sich Parallellen zur Kalligraphie auf, nur diese in völliger Abstraktion, als schwungvolle Gesten in Gold und Silber, in ihrer Form doch ganz neu und eigen, filigran, transparent und raumgreifend.

750er Gold- oder Silberdraht von 0,9 bis 1,6 mm Durchmesser ist das Lieblingsmaterial von Kathrin Sättele. Daraus schmiedet sie die Elemente Ihrer Schmuckstücke in atmeberaubender Perfektion. Sie hält sich selten mit Modellen und Skizzen auf. Sie geht gleich in medias res, schmiedet mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung die Form, die ihr vorschwebt. Die Hammerschläge versetzten das Material in Spannung. Elegante Bögen werden durch das Kippen ihres Profiles in der Kurve noch eleganter und dynamischer.


Die Kostbarkeit des Halschmuckes ergibt sich aus der Raffinesse der linearen, auch dreidimensionalen, Formen. Jede Kette besteht aus nur einem Formelement, das sich selbst wiederholend ineinander gehängt wird. Ein Bogen wächst aus einer flachen Tropfenform, die eine gerade eben passende Öse umschliesst. Durch diese hindurch wird der stilartige Ansatz einer spitz zulaufenden Navetteform geführt, deren Umriss flach geschmiedet steht. Im ruhigen Rhythmus verläuft diese Kette, deren selbstverständliche Vollendung in den minutiösen Details des einzelnen Kettengliedes liegt. Genau dort wo sich der Durchmesser in Fläche wandelt liegt der weiche Bogen der Form, deren wie Papier geknickte Spitze aus diesem minimalen Kontrast an Prägnanz gewinnt.

Ein anderer Halsschmuck aus einfachen Winkelelementen reduziert das Zusammenspiel von Fläche zu Volumen auf graphisch spektakuläre Weise. Darüber hinaus sind es Blattelemente, frei schwingende Ovale und dreidimensionale Doppelkreise die sich filigran und raumumschreibend in geordnetem Chaos zum Halsschmuck fügen. Sie sind voller Dynamik, luftig leicht und höchst trickreich konzipiert. Nicht ein Milimeter ist dem Zufall überlassen, der Wechsel von Fläche zu Durchmesser genau geplant um dem ganzen Objekt eine spielerische Selbstverständlichkeit zu verleihen.

Als Armreif und Fingerring gibt Kathrin Sättele Dreipass und Doppeloval den nötigen Schwung, fast rotierend, aufwirbelnd. Dort wo sich die Formen fast kreuzen ist der Reif massiver und dort wo sich die Bögen voneinander entfernen sind sie ganz flach geschmiedet. Genau an der richtigen Stelle sitzt der Übergang vom Volumen zur Fläche um dem Reifen dynamische Wirkung zu geben. Auch getragen bleibt diese Lebendigkeit erhalten. Die Reifen und Ringe legen sich in leichter Schräglage um Arm oder Finger.


Ein ganz eigenes, innovatives Kapitel beschreibt Kathrin Sättele mit ihrem Ohrschmuck. Das ewige Thema der Befestigung löst sie aufregend neu und ohne auf vorgefertigte Steckkonsruktionen zurück greifen zu müssen. Ihre „Ohrflügel“ sind schwungvoll ineinander wirkende, lang gezogene Bögen nah an der klassischen Herzform. Sie werden in das Ohr eingehängt und umspielen das Ohrläppchen dreidimensional. Auch ihre Ohrhänger und Ohrstecker sind so konzipiert, dass die Formen dem eingesteckten Ohrschmuck Halt geben. Jede Form hat einen anderen kleinen, schnell durchschaubaren Trick zur Befestigung. Allen Entwürfen gemeinsam ist, dass Schmuck und Ohr sich sehr innig verbinden. Die schwungvollen Bögen des Schmuckes zitieren quasi Linien und Volumen der Ohrform und übersetzen sie in ihr elegant stilisiertes Echo. Verblüffend nahe liegend und doch überraschend.

Freiraum 1, 2 und 3 nennt Kathrin Sättele ihren spektakulären Ansteckschmuck. Die minutiös zulaufende Spitze der Borschierung ist völlig integrierter Formbestandteil einer Brosche. Einer Initiale gleich beschreibt Katrin Sättele eine schwungvolle Form, deren Lebendigkeit und Spannung aus den richtig platzierten Übergängen von Fläche in Volumen entsteht. Wie die Linie eines mit Feder geschriebenen Schriftzeichens auch den unterschiedlichen Druck des Schreibers abbildet so schmiedet Kathrin Sättele eine spannungsvoll markante Linie aus Gold oder Silberdraht.

Die kluge Konzentration auf ihr unbestrittenes, meisterhaftes Können als gestaltende Goldschmiedin hat Kathrin Sättele Glück gebracht. "Weniger ist mehr" - diese These offenbart sich in diesem aufwendig und sensibel hergestellten Schmuck. Ihre ausgewogene und durchdachte Formensprache gibt die Bühne frei für das spektakulär Feinsinnige in der Goldschmiedekunst.

© Schnuppe von Gwinner 2011 -  der Artikel wurde in der Zeitschrift Kunsthandwerk & Design  2 / 2012 veröffentlicht

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