Die Hildesheimerin Kathrin Sättele ist
durch und durch eine Goldschmiedin – im wahrsten Sinne des Wortes
und aus tiefer Überzeugung. Ihr zentrales Anliegen besteht darin,
allein mit den Mitteln des Gold schmiedens einen ganz persönlichen
Ausdruck für ihre ebenso ästhetischen wie tragbaren Schmuckstücke
zu entwickeln. Das gelingt ihr über die Maßen gut, schwungvoll und
dekorativ. Aus der Beschränkung schöpft sie eine inspirerende
Kraft, die ihr Werk einzigartig macht. Unverwechselbar sind ihre
Ketten, Broschen und Ohrschmuckstücke, in denen sich handwerkliche
Perfektion mit genialem Erfindergeist und dem sicheren Gespür für
ausgewogenen Gestaltung paart.
Als Absolventin der Hildesheimer
Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst ist Kathrin Sättele
mit den aktuellen Strömungen im Bereich der Schmuckkunst und des
Autorenschmuckes bestens vertraut. Doch sie ist den Verlockungen der
freien Schmuckgestaltung nie ernsthaft erlegen.
Im Gegenteil. Schon sehr früh, während
ihrer handwerklichen Lehre und Ausbildung bei verschiedenen
Goldschmieden in Hildesheim, Bremen und Hannover, erkannte sie in
sich selbst die leidenschaftliche Goldschmiedin – mit wenig Sinn
für Buchhaltung und Reparaturarbeiten wie sie lachend zugibt. Daher
wußte sie auch immer, dass sie zwar eine eigene Werkstatt, niemals
aber ein Geschäft haben wollte. Während ihrer Ausbildung zur
Diplomdesignerin hat sie sich mit allen Optionen und Möglichkeiten
des Gold- und Silberschmiedens vetraut gemacht. Doch ihr Ziel blieb
immer, vom Verkauf ihrer Goldschmiedarbeiten leben zu können. In
ihrem Schmuck wollte sie also den Konsens von Tragbarkeit, guter
Gestaltung und Individulität erreichen. Das ist ihr vortrefflich
gelungen wie viele Auszeichnungen, unter anderen der Niedersächsische
Staatspreis für das gestaltende Handwerk 2010, und viele begeisterte
Kunden beweisen.
Ihr
Lebens- und Arbeitsmittelpunkt liegt in einem Hildesheimer Hinterhof.
Ein üppig begrüntes Backsteinhaus, in guter Nachbarschaft mit einem
Motorradschrauber und einem Steinmetz, beherbergt die
Atelierwerkstatt. Seit dem Jahr 2000 leisten sich Kathrin Sättele
und die Gold- und Silberschmiedin Marit Bindernagel
dort Gesellschaft. Gemeinsam renovierten sie das Haus und legten das
Grün drumherum an. Ihr Austausch beschränkt sich nicht nur profan
auf den Werkzeug-Fundus sondern lebt und wirkt vor allem in
freundschaftlichen Gesprächen und ernsthafter Fachsimpelei.
Vergeblich
sucht man nach Vorbildern zu Kathrin Sätteles Schmuck. Ein wenig
wirkt er so, als hätte er Verwandtschaft im Jugendstil. Aber nur
etwas. Viel mehr drängen sich Parallellen zur Kalligraphie auf, nur
diese in völliger Abstraktion, als schwungvolle Gesten in Gold und
Silber, in ihrer Form doch ganz neu und eigen, filigran, transparent
und raumgreifend.
750er
Gold- oder Silberdraht von 0,9 bis 1,6 mm Durchmesser ist das
Lieblingsmaterial von Kathrin Sättele. Daraus schmiedet sie die
Elemente Ihrer Schmuckstücke in atmeberaubender Perfektion. Sie hält
sich selten mit Modellen und Skizzen auf. Sie geht gleich in medias
res, schmiedet mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung die Form,
die ihr vorschwebt. Die Hammerschläge versetzten das Material in
Spannung. Elegante Bögen werden durch das Kippen ihres Profiles in
der Kurve noch eleganter und dynamischer.
Die
Kostbarkeit des Halschmuckes ergibt sich aus der Raffinesse der
linearen, auch dreidimensionalen, Formen. Jede Kette besteht aus nur
einem Formelement, das sich selbst wiederholend ineinander gehängt
wird. Ein Bogen wächst aus einer flachen Tropfenform, die eine
gerade eben passende Öse umschliesst. Durch diese hindurch wird der
stilartige Ansatz einer spitz zulaufenden Navetteform geführt,
deren Umriss flach geschmiedet steht. Im ruhigen Rhythmus verläuft
diese Kette, deren selbstverständliche Vollendung in den minutiösen
Details des einzelnen Kettengliedes liegt. Genau dort wo sich der
Durchmesser in Fläche wandelt liegt der weiche Bogen der Form, deren
wie Papier geknickte Spitze aus diesem minimalen Kontrast an Prägnanz
gewinnt.
Ein
anderer Halsschmuck aus einfachen Winkelelementen reduziert das
Zusammenspiel von Fläche zu Volumen auf graphisch spektakuläre
Weise. Darüber hinaus sind es Blattelemente, frei schwingende Ovale
und dreidimensionale Doppelkreise die sich filigran und
raumumschreibend in geordnetem Chaos zum Halsschmuck fügen. Sie sind
voller Dynamik, luftig leicht und höchst trickreich konzipiert.
Nicht ein Milimeter ist dem Zufall überlassen, der Wechsel von
Fläche zu Durchmesser genau geplant um dem ganzen Objekt eine
spielerische Selbstverständlichkeit zu verleihen.
Als
Armreif und Fingerring gibt Kathrin Sättele Dreipass und Doppeloval
den nötigen Schwung, fast rotierend, aufwirbelnd. Dort wo sich die
Formen fast kreuzen ist der Reif massiver und dort wo sich die Bögen
voneinander entfernen sind sie ganz flach geschmiedet. Genau an der
richtigen Stelle sitzt der Übergang vom Volumen zur Fläche um dem
Reifen dynamische Wirkung zu geben. Auch getragen bleibt diese
Lebendigkeit erhalten. Die Reifen und Ringe legen sich in leichter
Schräglage um Arm oder Finger.
Ein
ganz eigenes, innovatives Kapitel beschreibt Kathrin Sättele mit
ihrem Ohrschmuck. Das ewige Thema der Befestigung löst sie aufregend
neu und ohne auf vorgefertigte Steckkonsruktionen zurück greifen zu
müssen. Ihre „Ohrflügel“ sind schwungvoll ineinander wirkende,
lang gezogene Bögen nah an der klassischen Herzform. Sie werden in
das Ohr eingehängt und umspielen das Ohrläppchen dreidimensional.
Auch ihre Ohrhänger und Ohrstecker sind so konzipiert, dass die
Formen dem eingesteckten Ohrschmuck Halt geben. Jede Form hat einen
anderen kleinen, schnell durchschaubaren Trick zur Befestigung. Allen
Entwürfen gemeinsam ist, dass Schmuck und Ohr sich sehr innig
verbinden. Die schwungvollen Bögen des Schmuckes zitieren quasi
Linien und Volumen der Ohrform und übersetzen sie in ihr elegant
stilisiertes Echo. Verblüffend nahe liegend und doch überraschend.
Freiraum
1, 2 und 3 nennt Kathrin Sättele ihren spektakulären
Ansteckschmuck. Die minutiös zulaufende Spitze der Borschierung ist
völlig integrierter Formbestandteil einer Brosche. Einer Initiale
gleich beschreibt Katrin Sättele eine schwungvolle Form, deren
Lebendigkeit und Spannung aus den richtig platzierten Übergängen
von Fläche in Volumen entsteht. Wie die Linie eines mit Feder
geschriebenen Schriftzeichens auch den unterschiedlichen Druck des
Schreibers abbildet so schmiedet Kathrin Sättele eine spannungsvoll
markante Linie aus Gold oder Silberdraht.
Die
kluge Konzentration auf ihr unbestrittenes, meisterhaftes Können als
gestaltende Goldschmiedin hat Kathrin Sättele Glück gebracht. "Weniger ist mehr" - diese These offenbart sich in diesem
aufwendig und sensibel hergestellten Schmuck. Ihre ausgewogene und
durchdachte Formensprache gibt die Bühne frei für das spektakulär
Feinsinnige in der Goldschmiedekunst.
©
Schnuppe von Gwinner 2011 - der Artikel wurde in der Zeitschrift
Kunsthandwerk & Design 2 / 2012 veröffentlicht
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