Dienstag, 2. Juli 2013

Damen-Duo in Ton - Claydies

Wenn Karen Kjaeldgard-Larsen und Tine Broksø den Tisch decken ist alles wie immer aber nichts ist wie es war. Seit elf Jahren verblüffen sie im Teamwork all jene, die es wagen über den Tassenrand hinaus zu schauen. Aus ihrer Mädchenfreundschaft, die sie 1995 an der Danish Design School in Kopenhagen schlossen, wurde die erfolgreiche Kooperation als "Claydies", deren Keramiken inzwischen längst internationale Aufmerksamkeit wecken. Man kann ihre Objekte heute im MoMa Shop in New York, aber auch in Japan und Korea kaufen.
Im Sommer 2011 lädt die neue Direktorin des dänischen Designmuseums Trapholt die beiden "Claydies" zu einer Werkschau ein. Das Modell des Ausstellungsraumes steht als Puppenstube im Kopenhagener Studio, wo ich die beiden besuche.
Tine erklärt: "Wir haben ein Ambiente aus lauter Kuben geschaffen, deren Proportionen denen von Stuhl, Tisch und Schrank, also einer ganz allgemeinen Zimmereinrichtung entsprechen. Unsere Dinge lassen sich ganz selbstverständlich darin arrangieren, denn es sind alles Alltagsdinge, Geschirr und Wohnaccessoires. Dazu passt das „Claydies“ Magazin, ein Katalog, der in seiner Themenstruktur einer Zeitschrift entspricht. Das funktioniert perfekt, von den Modeseiten über die Einrichtungsberatung, Rezepte und Gartentipps bis hin zum Kreuzworträtsel!" 


Bevor Karen und Tine im Jahr 2000 ihre Company "Claydies" begründen, landet Karen noch einen tollen Coup:  Sie entwirft das Design ‚Mega’ für Royal Copenhagen, dessen sensationeller Erfolg sie bis heute begeleitet. Als „Cladies“ sind sie zwei Individuen, die eine Keramikerin geworden sind. Ein Organismus mit zwei Köpfen, zwei Arten von Kreativität, vier Armen und vier Händen. Im Rückblick auf elf gemeinsame Jahre sind sie ein wahres Dreamteam,   das sich ohne Einschränkungen als „wir“ begreift und agiert. Dem internen Diskurs über Ideen und Inspirationen folgt die Umsetzung in Objekte, die verblüffend neu gesehen und humorvoll sind, ohne dass ihre Funktionalität darunter leiden würde.
„Wir planen nichts. Wir sind offen für alles was kommt und arbeiten sehr intuitiv. Jede Idee oder Anregung diskutieren wir so lange bis sie verworfen oder realisiert wird. Es muss uns vor allem Spaß machen und wir müssen selbst zutiefst überzeugt davon sein, dass unser Konzept stimmig ist. Wir orientieren uns z.B. am Doppelsinn von Begriffen und Bezeichnungen, die wir wörtlich nehmen und umsetzen.“ So entstand die genähte Kaffeekanne mit Bechern in Anlehnung an das Wort „kitchenware“ oder Porzellangefäße in Knochenform als „bone china“ für ein Restaurant. 

„Auch traditionelle Designs schauen wir uns genau an und interpretieren sie neu.“ Das 'blueclay' Geschirr zeigt eine jahrhunderte alte, dänische Steinzeugtradition in neuem Gewand ohne Material und Technik wesentlich zu verändern. Der Ton stammt aus dänischer Erde und das Prinzip ineinander verlaufender Engoben ist nicht nur aus der skandinavischen Keramikhistorie wohl bekannt.  ‚Psychdelic Record Player’  nennen sie ein Objekt aus Keramikplatte und Grammophon. Es lieferte die Ursprungsidee zum ‚blueclay“ Geschirr, bei dem jedes Gefäß sein individuelles, aus der Gießbewegung heraus entstandenes Muster hat. 


Im Rahmen einer legendär gewordenen Modenschau in der Galerie Nørby in Kopenhagen, präsentieren Karen und Tine Keramikschüsseln als modischen Kopfputz:  schicke Frisuren die auch als Spaghetti- oder Salatschalen bella figura machen. "Das war der Moment in dem wir spürten, dass wir mit Spaß und Unterhaltung als Teil des Produktes die Menschen wirklich erreichen und mit einbeziehen können." Die amüsante Schau der Keramikbobs und Fönfrisuren schaffte es bis ins High Museum of Art nach Atlanta und eine Parade keramischer Fahrradhelme erregte erneut Aufsehen in der dänischen Hauptstadt. 
Seitdem wissen die "Claydies" genau, dass Kommunikation die halbe Miete ist, auch wenn sie behaupten, diese  nicht bewusst zu planen. Es gelingt ihnen dennoch so gut, weil die Kommunikation natürlicher Teil ihrer gemeinsamen Produktentwicklung ist. Der gemeinsame Spaß überträgt sich mühelos auf ihre Objekte. Andererseits mussten sie lernen, dass die Dinge ihre Zeit brauchen bis auch der ökonomische der Erfolg sich einstellt. 


Bereits 2004 entstanden die berühmten "Grass" Vasen für eine Ausstellung im Danish Design Centre in Kopenhagen. Sie lenkten den Blick auf etwas völlig Nebensächliches. Normalerweise stehen Blumen, gerne in üppiger Fülle, im Vordergrund. Mit "Grass" hingegen kann man die Ästhetik einzelner Blüten besonders hervorheben – die Chance für Mauerblümchen! Das kleine Produkt wurde in die "Danish Crafts Collection" aufgenommen und auf der Pariser Messe "Maison et Objet" von den Einkäufern des MoMa Shops ins Herz geschlossen. So viel Ehre ließ nun die Verantwortlichen der Firma Normann Copenhagen das Gras wachsen hören. Seit 2005 besteht eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den "Claydies", deren Produktideen sich dort nicht nur auf Keramik beschränken. Zuletzt wurde der Teppich "Dahlia" ein großer Erfolg.

 Die Inszenierung keramischer Projektideen fand in der Performance ‚Chambers of Horror’ einen weiteren Höhepunkt. Zwölf identische Töpfe wurden erschossen: Ermordet! "Wir wissen dass Keramik scheußlich sein kann, aber kann sie auch regelrecht gruselig sein?" fragen sich die beiden mit diesem Attentat. Auf ihre humorvolle und doppeldeutige Art stellen sie die Beziehung zur traditionellen Ästhetik und dem generellen Image von Kunsthandwerk her. Mit dem "Ceramic Manifesto – Dogma 02" gehen sie im Jahr 2007 diesen Weg weiter und schwören sich auf drastische Spielregeln für die Herstellung ihrer ersten ‚True Feelings’ Keramiken ein. Mit verbundenen Augen, ohne gegenseitige Absprache und Kontrolle, formen sie Dinge des täglichen Gebrauchs. Schief und krumm und blau glasiert wird dieses archaische Geschirr 2007 gemeinsam mit plakatgroßen Nacktfotos der „Claydies“ in Aktion in der Liljevalchs Kunsthall, Stockholm ausgestellt. Die Aufmerksamkeit ist ihnen damit sicher. 

Doch das Risiko eines nur kurzlebigen Sensationseffektes heben sie geschickt auf indem sie aus dem Geist dieser Performance das Tafelgeschirr "True Feelings" entwickeln. Von Hand geformtes Porzellan: Kannen, Tassen, Teller, Tortenplatte, Zuckerdöschen, Vasen, Löffel und alles was man sonst für eine gut ausgestattete Kaffeetafel braucht, präsentiert sich in delikatem Elfenbeinweiß als ebenso funktionelle wie feine Inkarnation des Handgemachten. Die romantische Tradition einer beschaulichen Nachmittagszusammenkunft bei Kaffee und Kuchen verknüpft sich mit dem Hintergedanken an die makellosen Körper der schöpferischen "Claydies" - mehr  Geschichte hinter dem Produkt geht kaum. 


Die „Claydies“ pflegen unbeirrt ihre Unabhängigkeit und ihren speziellen Humor. „Bisher haben wir uns niemals auf Kompromisse eingelassen, auch in der Zusammenarbeit mit den Firmen nicht. Wir möchten das Handwerkliche weiter verfolgen und gute Konzepte für unsere Unikate entwickeln. Da ist natürlich das wachsende Interesse der Unternehmen, wie Normann Kopenhagen und Kaehler Design, aber wir werden doch eher unsere Interessen verfolgen. Es ist so viel Business und so viel fremde Arbeit darin und wir möchten doch vor allem das tun was uns glücklich macht. Wir möchten weiter nach Inspirationen suchen und diese in überraschende Produkte umsetzen, die etwas über den Gebrauch und den Geist der Dinge verraten.“


© Schnuppe von Gwinner 2011 - veröffentlicht in der Zeitschrift "Neue Keramik" 1/2012

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