Wenn Karen Kjaeldgard-Larsen und Tine
Broksø den Tisch decken ist alles wie immer aber nichts ist wie es
war. Seit elf Jahren verblüffen sie im Teamwork all jene, die es
wagen über den Tassenrand hinaus zu schauen. Aus ihrer
Mädchenfreundschaft, die sie 1995 an der Danish Design School in
Kopenhagen schlossen, wurde die erfolgreiche Kooperation als "Claydies", deren Keramiken inzwischen längst internationale
Aufmerksamkeit wecken. Man kann ihre Objekte heute im MoMa Shop in
New York, aber auch in Japan und Korea kaufen.
Im Sommer 2011 lädt die neue
Direktorin des dänischen Designmuseums Trapholt die beiden "Claydies" zu einer Werkschau ein. Das Modell des
Ausstellungsraumes steht als Puppenstube im Kopenhagener Studio, wo
ich die beiden besuche.
Tine erklärt: "Wir haben ein
Ambiente aus lauter Kuben geschaffen, deren Proportionen denen von
Stuhl, Tisch und Schrank, also einer ganz allgemeinen
Zimmereinrichtung entsprechen. Unsere Dinge lassen sich ganz
selbstverständlich darin arrangieren, denn es sind alles
Alltagsdinge, Geschirr und Wohnaccessoires. Dazu passt das „Claydies“
Magazin, ein Katalog, der in seiner Themenstruktur einer Zeitschrift
entspricht. Das funktioniert perfekt, von den Modeseiten über die
Einrichtungsberatung, Rezepte und Gartentipps bis hin zum
Kreuzworträtsel!"
Bevor Karen und Tine im Jahr 2000 ihre
Company "Claydies" begründen, landet Karen noch einen tollen
Coup: Sie entwirft das Design ‚Mega’ für Royal Copenhagen,
dessen sensationeller Erfolg sie bis heute begeleitet. Als „Cladies“
sind sie zwei Individuen, die eine Keramikerin geworden sind. Ein
Organismus mit zwei Köpfen, zwei Arten von Kreativität, vier Armen
und vier Händen. Im Rückblick auf elf gemeinsame Jahre sind sie ein
wahres Dreamteam, das sich ohne Einschränkungen als
„wir“ begreift und agiert. Dem internen Diskurs über Ideen und
Inspirationen folgt die Umsetzung in Objekte, die verblüffend neu
gesehen und humorvoll sind, ohne dass ihre Funktionalität darunter
leiden würde.
„Wir planen nichts. Wir sind offen
für alles was kommt und arbeiten sehr intuitiv. Jede Idee oder
Anregung diskutieren wir so lange bis sie verworfen oder realisiert
wird. Es muss uns vor allem Spaß machen und wir müssen selbst
zutiefst überzeugt davon sein, dass unser Konzept stimmig ist. Wir
orientieren uns z.B. am Doppelsinn von Begriffen und Bezeichnungen,
die wir wörtlich nehmen und umsetzen.“ So entstand die genähte
Kaffeekanne mit Bechern in Anlehnung an das Wort „kitchenware“
oder Porzellangefäße in Knochenform als „bone china“ für ein
Restaurant.
„Auch traditionelle Designs schauen
wir uns genau an und interpretieren sie neu.“ Das 'blueclay'
Geschirr zeigt eine jahrhunderte alte, dänische Steinzeugtradition
in neuem Gewand ohne Material und Technik wesentlich zu verändern.
Der Ton stammt aus dänischer Erde und das Prinzip ineinander
verlaufender Engoben ist nicht nur aus der skandinavischen
Keramikhistorie wohl bekannt. ‚Psychdelic Record Player’
nennen sie ein Objekt aus Keramikplatte und Grammophon. Es lieferte
die Ursprungsidee zum ‚blueclay“ Geschirr, bei dem jedes Gefäß
sein individuelles, aus der Gießbewegung heraus entstandenes Muster
hat.
Im Rahmen einer legendär gewordenen
Modenschau in der Galerie Nørby in Kopenhagen, präsentieren Karen
und Tine Keramikschüsseln als modischen Kopfputz: schicke
Frisuren die auch als Spaghetti- oder Salatschalen bella figura
machen. "Das war der Moment in dem wir spürten, dass wir mit Spaß
und Unterhaltung als Teil des Produktes die Menschen wirklich
erreichen und mit einbeziehen können." Die amüsante Schau der
Keramikbobs und Fönfrisuren schaffte es bis ins High Museum of Art
nach Atlanta und eine Parade keramischer Fahrradhelme erregte erneut
Aufsehen in der dänischen Hauptstadt.
Seitdem wissen die "Claydies"
genau, dass Kommunikation die halbe Miete ist, auch wenn sie
behaupten, diese nicht bewusst zu planen. Es gelingt ihnen
dennoch so gut, weil die Kommunikation natürlicher Teil ihrer
gemeinsamen Produktentwicklung ist. Der gemeinsame Spaß überträgt
sich mühelos auf ihre Objekte. Andererseits mussten sie lernen, dass
die Dinge ihre Zeit brauchen bis auch der ökonomische der Erfolg
sich einstellt.
Bereits 2004 entstanden die berühmten "Grass" Vasen
für eine Ausstellung im Danish Design Centre in Kopenhagen. Sie
lenkten den Blick auf etwas völlig Nebensächliches. Normalerweise
stehen Blumen, gerne in üppiger Fülle, im Vordergrund. Mit "Grass"
hingegen kann man die Ästhetik einzelner Blüten besonders
hervorheben – die Chance für Mauerblümchen! Das kleine Produkt
wurde in die "Danish Crafts Collection" aufgenommen und auf der
Pariser Messe "Maison et Objet" von den Einkäufern des MoMa
Shops ins Herz geschlossen. So viel Ehre ließ nun die
Verantwortlichen der Firma Normann Copenhagen das Gras wachsen hören.
Seit 2005 besteht eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den "Claydies", deren Produktideen sich dort nicht nur auf Keramik
beschränken. Zuletzt wurde der Teppich "Dahlia" ein großer
Erfolg.
Die Inszenierung keramischer
Projektideen fand in der Performance ‚Chambers of Horror’ einen
weiteren Höhepunkt. Zwölf identische Töpfe wurden erschossen:
Ermordet! "Wir wissen dass Keramik scheußlich sein kann, aber kann
sie auch regelrecht gruselig sein?" fragen sich die beiden mit
diesem Attentat. Auf ihre humorvolle und doppeldeutige Art stellen
sie die Beziehung zur traditionellen Ästhetik und dem generellen
Image von Kunsthandwerk her. Mit dem "Ceramic Manifesto – Dogma
02" gehen sie im Jahr 2007 diesen Weg weiter und schwören sich auf
drastische Spielregeln für die Herstellung ihrer ersten ‚True
Feelings’ Keramiken ein. Mit verbundenen Augen, ohne gegenseitige
Absprache und Kontrolle, formen sie Dinge des täglichen Gebrauchs.
Schief und krumm und blau glasiert wird dieses archaische Geschirr
2007 gemeinsam mit plakatgroßen Nacktfotos der „Claydies“ in
Aktion in der Liljevalchs Kunsthall, Stockholm ausgestellt. Die
Aufmerksamkeit ist ihnen damit sicher.
Doch das Risiko eines nur kurzlebigen
Sensationseffektes heben sie geschickt auf indem sie aus dem Geist
dieser Performance das Tafelgeschirr "True Feelings" entwickeln.
Von Hand geformtes Porzellan: Kannen, Tassen, Teller, Tortenplatte,
Zuckerdöschen, Vasen, Löffel und alles was man sonst für eine gut
ausgestattete Kaffeetafel braucht, präsentiert sich in delikatem
Elfenbeinweiß als ebenso funktionelle wie feine Inkarnation des
Handgemachten. Die romantische Tradition einer beschaulichen
Nachmittagszusammenkunft bei Kaffee und Kuchen verknüpft sich mit
dem Hintergedanken an die makellosen Körper der schöpferischen "Claydies" - mehr Geschichte hinter dem Produkt geht kaum.
Die „Claydies“ pflegen unbeirrt
ihre Unabhängigkeit und ihren speziellen Humor. „Bisher haben wir
uns niemals auf Kompromisse eingelassen, auch in der Zusammenarbeit
mit den Firmen nicht. Wir möchten das Handwerkliche weiter verfolgen
und gute Konzepte für unsere Unikate entwickeln. Da ist natürlich
das wachsende Interesse der Unternehmen, wie Normann Kopenhagen und
Kaehler Design, aber wir werden doch eher unsere Interessen
verfolgen. Es ist so viel Business und so viel fremde Arbeit darin
und wir möchten doch vor allem das tun was uns glücklich macht. Wir
möchten weiter nach Inspirationen suchen und diese in überraschende
Produkte umsetzen, die etwas über den Gebrauch und den Geist der
Dinge verraten.“
© Schnuppe von Gwinner 2011 - veröffentlicht in der Zeitschrift "Neue Keramik" 1/2012
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