Freitag, 3. Mai 2013

Global statt lokal

Ein Interview mit Dr. Claudia Banz im Vorfeld der Messe Kunst und Handwerk im Museum für Kunst & Gewerbe, Hamburg 2011


Seit April 2011 leitet Dr. Claudia Banz, Nachfolgerin von Dr. Rüdiger Joppien, der nahezu 25 Jahre Kurator war, die Abteilung Kunst und Design vom Biedermeier bis zur Gegenwart am Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg. Mit diesem Amt übernimmt sie auch die Verantwortung für die ebenso traditionsreiche wie renommierte MKG Messe Kunst und Handwerk – das allwinterliche Highlight unter den deutschen Messen angewandter Kunst.

Claudia Banz, geboren 1966, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Klassische Archäologie in Heidelberg und Berlin und promovierte 1996 an der FU Berlin mit einer Arbeit über das höfische Mäzenatentum der Habsburger. Als freie Kuratorin zahlreicher internationaler Ausstellungsprojekte und als Autorin hat sie sich auch immer wieder mit dem Themenfeld „Design – Kunst – Handwerk“ auseinandergesetzt, u.a. .in der von ihr kuratierten Ausstellung „Unresolved Matters. Social Utopias Revisited“ im Rahmen der „Utrecht Manifest Biennal for Social Design“ 2009. Im März 2011 erschien der von ihr herausgegebene Band „Social Design“ in der Reihe des Kunstforum International (Band 207) in dem sie den reformerischen und sozialutopischen Aspekten von Kunsthandwerk und Design in ihrer historischen und zukunftsweisenden Dimensionen nachspürt.

In einem Gespräch mit Schnuppe von Gwinner beschreibt sie ihre Pläne und Visionen für die Messe Kunst und Handwerk am Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg.
Gleich zu Beginn betont Claudia Banz, dass ein Museum kein kommerzieller Veranstalter sei, sondern einer kulturpolitischen Agenda verpflichtet ist, in der sie auch die Veranstaltung der Messe Kunst und Handwerk verankert sehen möchte.

Schnuppe von Gwinner:
„Das zentrale Thema der Messe besteht bisher darin zeitgenössische Handwerkskunst zu fördern, die alte Techniken lebendig hält und gleichzeitig Impulsgeber für neue Traditionen ist. Hier geht es um Kulturtechniken – neueste Gestaltungsentwicklungen treten in Dialog mit Bewährtem, Experiment trifft auf Kontinuität. Die Messe schafft seit Jahrzehnten die Voraussetzung, dass kreative Lebensläufe des stetigen Wachsens, Profilierens und Perfektionierens, in heutiger Zeit überhaupt noch möglich sind. Dem Forum dieser Messe verdanken viele Handwerksdesigner respektable Karrieren, die heute, da man sich wieder auf Qualität und Originalität besinnt, ihren ganz besonderen Wert haben. Ihr Erfolg gründet sich nachhaltig auf jene Optionen, die die Jahresmesse als Ort der Präsentation und des Dialoges bietet.
Es geht um die Frage der individuellen Wertschätzung von Dingen und Leistungen, die nicht nur ökonomisch, sondern im Besonderen ideel begründet sind. Und für die ist nun einmal diese Messe der Schutz- und Wirtschaftsraum, in dem so etwas gedeihen kann. Es gibt keinen anderen Ort dafür.“

Claudia Banz:
„Ich gebe ihnen völlig Recht. Kulturtechniken und Tradition sind wichtige Themen, für die die Messe Raum bieten muss, umso mehr, da sie von einem Museum initiiert wird. Für uns Museumsleute geht es ja auch darum Kulturtechniken zu bewahren. Aber gleichzeitig müssen wir natürlich immer auch einen kritischen Blick auf die Gegenwart werfen, auf die aktuellen, innovativen Entwicklungen und diese dem Publikum vorstellen.
Entscheidend ist letztlich die Qualität dieser Selektion, auf die wir gerade bei einer Museumsmesse besonders achten müssen.“

Schnuppe von Gwinner:
„Das Niveau der Hamburger Messe ist unvergleichlich.“

Claudia Banz:
„Daran soll sich auch in Zukunft überhaupt nichts ändern. Im Gegenteil: Wir möchten die Messe noch wertiger und attraktiver gestalten und das Programm dementsprechend erweitern. Hochschulen aus dem In- und Ausland sollen zukünftig eine feste Größe werden und ebenso Autorendesign.. Design ist ein so vielschichtiges Phänomen. Vor allem in Deutschland verbindet sich der Begriff Design sehr stark mit reformerischen und mit sozialutopischen Idealen. Dieser Anspruch hallt beispielsweise auch noch in der „Guten Form“ wider. Außerdem arbeiten Designer auch mit handwerklichen Techniken, bloß nennen sie sich eben nicht Kunsthandwerker. Der Begriff des Design ist insgesamt ein sehr unscharfer.

Schnuppe von Gwinner:
„Der Begriff Kunsthandwerk auch. Die ganze Debatte um die Begrifflichkeiten ist schwammig. Letztlich möchten alle teilhaben an dem Hype des Handgemachten, der Individualität, Qualität und Besonderheit. Doch die Wenigsten schaffen es, sie authentisch herzustellen und sie tiefer zu gründen als einen Marketing-Gag. Ich meine, dass diejenigen, die aktuell auf der Messe stehen, dies schaffen. Auch viel andere, auch gute Designer, schaffen das. Aber ich vermute, dass 'Otto Normalverbraucher' dies nicht differenziert unterscheidet.“

Claudia Banz:
„Ja, dem ist es sicher auch egal ob etwas unter Kunsthandwerk oder Design firmiert. Dieser ganze konzeptuelle Diskurs bewegt mehr die Fachleute. Allerdings lässt sich meiner Meinung nach ein starker Trend ausmachen, hin zum Unikat, zum handgefertigten, im Idealfall – und wenn der Geldbeutel es zulässt – zum individuell maßangefertigten Objekt. Das ist eine sehr interessante Entwicklung, die auch ihren gesellschaftlichen Hintergrund hat. Nach Massenproduktion und dem 'toten Objekt' möchte man wieder das beseelte, von Hand gefertigte Objekt haben. Zu diesen soziokulturellen Prozessen können wir als Museum durch eine bestimmte Profilierung der Messe durchaus ein Statement liefern und sollten dies auch tun. Darin sehe ich nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch eine unserer Kompetenzen. In diesem Sinn wünsche ich mir die Messe zukünftig noch mehr ausgerichtet auf Fragen wie: 'Welche zeitgenössischen Strömungen und Entwicklungen in den angewandten Künsten sind wirklich tragfähig und sollten von uns als Haus rezipiert werden?'
Genauso wie vor hundert Jahren Justus Brinckmann sehr weitsichtig damit begonnen hat, Jugendstil zu sammeln. Nicht nur auf Museumsebene wurde der Jugendstil anfänglich überhaupt nicht goutiert. Aber Brinckmann erkannte seine Bedeutung und Relevanz und kaufte kräftig auf den Weltausstellungen ein. Gegen Kritik muss man sich auch durchsetzen.“

Schnuppe von Gwinner:
„Doch der Jugendstil war ein klarer Trend. Was aber sind heute die Trends? Auch die sind unscharf geworden. Präzise aus Trends heraus entstandene Moden haben längst nicht mehr die Verbindlichkeit wie noch vor wenigen Jahrzehnten.“

Claudia Banz:
„Als einen gegenwärtigen Trend sehe ich die Rückkehr zum schlichten Luxus – übrigens ein historisch betrachtet absolut spannendes Phänomen, dessen Wiederholung sich bei der Betrachtung der vergangenen der Jahrhunderte beobachten lässt. Dem überbordenden Rokoko folgten Klassizismus und Biedermeier, den rückwärts gewandten Ornamentexplosionen des Historismus folgte der Jugendstil und die Hinwendung zur rationellen Gestaltung, die schließlich im Bauhaus mündete; die verspielt, kitschige Postmoderne richtete sich gegen den Funktionalismus und jetzt: befinden wir uns bereits in der Postpostmoderne und das neue alte Credo heißt wieder Reduktion, schlichte Eleganz und Einfachheit! Aber das ist nur ein, wenn auch dominierender Trend. Auch Nachhaltigkeit steht wieder einmal hoch im Kurs – das hatten wir bereits in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Schnuppe von Gwinner:
„Werden sie die Ausschreibungen für die Messe verändern?“

Claudia Banz:
„Darüber werden wir sicherlich nachdenken.
Bereits in diesem Jahr starten wir mit einer neuen Plattform für Hochschulen: den Auftakt machen die Klasse für Keramik- und Glasdesign von der Burg Giebichenstein aus Halle und die Schmuckklasse der Gerrit Rietveld Academie aus Amsterdam. Außerdem werden wir in diesem Jahr auch erstmals Autorendesign präsentieren.
Im Ausland passieren im Übrigen auch äußerst spannende Dinge, was das Thema Kunsthandwerk und Design anbelangt. Im Vergleich zu Deutschland wird dort der Diskurs auch weniger eng geführt. Die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Disziplinen erscheint mir weitaus größer. Deswegen möchte ich die Messe zukünftig auch stärker internationalisieren.
Zumal wir als Haus von unseren Sammlungen her auf die großen Weltreligionen und verschiedene Kulturkreise ausgelegt sind, und das sollte sich auch in der Messe widerspiegeln.“

Schnuppe von Gwinner:
„Bleibt es bei der Dauer der Veranstaltung?“

Claudia Banz:
„Die Kunsthandwerker befinden sich in der Zwickmühle, dass sie drei Wochen während der Messe nicht in ihrer Werkstatt sein können. Das ist sicher auch ein Thema, über das wir nachdenken werden.“

Schnuppe von Gwinner
„Der Justus Brinckmann Preis wird weiter vergeben?“

Claudia Banz:
„Selbstverständlich. Es geht doch schließlich um Qualität.. Die Verleihung eines Preises finde ich wichtig, denn er ist ja eine Auszeichnung und für die Teilnehmer eine Art Wertesiegel.
Bereits die Auswahl der Teilnehmer durch die Jury gleicht einem Statement. Wir sagen: Das sind die Leute, die wir in ihrer Arbeit schätzen, deren Ergebnisse wir in diesem Kontext von Kunsthandwerk und Design für herausragende Beispiele halten. Das ist ein Geben und Nehmen.“

Schnuppe von Gwinner:
„Es ist bedauerlich, dass dieser Preis, wie auch die vielen anderen Preise in diesem Bereich, nur einem Insiderkreis bekannt sind. Die zaghafte Kommunikation der Auszeichnungen dieser Art ermöglicht kaum, dass Geben und Nehmen fruchtbar wirken könnte. Wie steht es um die Öffentlichkeitsarbeit?“

Claudia Banz:
„Da sprechen sie einen wichtigen Punkt in diesem Kontext an. Wir arbeiten insgesamt an einer neuen Marketingstrategie für unser Museum, und im Konzert unserer gesamten Aktivitäten kommt der Messe nicht zuletzt auch wegen ihres Renommés ein ganz besonderer Stellenwert zu. Außerdem generieren wir durch die geplante Internationalisierung der Messe neue Multiplikatoren, und erreichen dadurch hoffentlich auch ein neues, internationaleres Publikum.

Schnuppe von Gwinner:
„Wird es Sonderschauen geben, um besondere Entwicklungen und Trends darzustellen?“

Claudia Banz:
„Ich bin für ein klares Format und für die Reduktion auf den wesentlichen Kern einer Messe.
Der Besucher, der zu uns ins Museum auf die Messe kommt möchte vermutlich nicht noch an einem speziellen Sonderprogramm partizipieren, zumal wir ja das ganze Jahr über Sonderausstellungen zeigen und außerdem gibt es ja auch noch die Dauerausstellung unserer Sammlungen. Wir wollen den Besucher auch nicht überfrachten. Weniger ist in diesem Fall sicher mehr.“

Schnuppe von Gwinner:
„Ich danke für das Gespräch.“

Das Gespräch wurde im September 2011 im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg geführt und in Kunsthandwerk & Design  6 / 2011 veröffentlicht

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