Zeit still stehen lassen. Zaghaft
berühren. Ungläubig bestaunen.
Die feinen Prozellandinge von Barbara Hast sind nur so zu erfassen. Ihre Anwesenheit ist schimmernd
Naturweiss, etwas heller als Elfenbein, etwas dichter als Eierschale.
Durch und durch künstlich und kostbar sind sie als Metamorphosen
natürlich gewachsener Früchte und Pflanzen, die diese eigensinnigen
Kreationen aus weissem Gold vage inspirierten. In aller
Bescheidenheit zitieren sie die opulente Naturliebe des 17.
Jahrhunderts und erinnern an exotische Kuriositäten barocker
Schatzkammern. Ihre Gegenwart wird von Reminiszenzen getragen, die
nicht eindeutig definierbar, aber doch assoziativ zu erahnen sind.
Die Objekte von Barbara Hast strecken ihre unsichtbaren Wurzeln und
Fühler in alle Richtungen von Zeit und Geschichte um ihre
faszinierende Präsenz im hier und jetzt zu entfalten.
Barbara Hast formuliert in ihrem Werk
eine permanente Hommage an die Feinsinnigkeit der natürlichen
Schöpfung. Die Zeit mit inbegriffen, denn sie nimmt davon so viel
wie sie braucht, um aus dem Porzellan die Gefässformen zu drehen und
zu gestalten: im klassischen Formenrepertoire von Dose, Becher, Kanne
oder frei und schöpferisch eigenen Fantastereien folgend, oder
beides zu zusgleich.
Nur wenige Zentimeter hoch sind kleine
Dosen mit geraden oder kugeligen Wänden und akkuratem Deckel. So
genannte „Prinzessinendosen“ schaffen daneben mindestens das
doppelte Volumen und die doppelte Höhe. Sie haben geschwungene
„Hüften“ und dicke Bäuche wie ihre Vorfahren im Barock. Ihre
gegenwärtigen großen Schwestern aus der Hand von Barbara Hast sind
wie makellose Kürbissfrüchte gewachsen, deren Mitte durch die
mäandernde Linie des Deckelrandes geteilt wird. Alle Dosendeckel lüpft man an einem
rafiniert geschnitzten Knauf, der wie eine stilisierte Knospe oder
Frucht ausgebildet ist.
Eine geradezu märchenhafte Atmosphäre
schaffen die Teekannen von Barbara Hast, meistens in Begleitung
zarter, dickbäuchiger Schälchen die auf ein bis mehreren Beinchen
oder Tentakeln daher kommen, wie die Kannen selbst auch. Man fühlt
sich in das Teehaus inmitten eines verwunschenen Parks versetzt, oder
auch zu Gast bei Märzhasen, Schuhmacher und Haselmaus. Charaktervoll
und wesenhaft bevölkern die Kannen mit ihrem Gefolge den Tisch. Fast
hört man sie wispern und flüstern als wären sie aus einer
misterösen Geschichte in die reale Welt geraten. Schon seit vielen
Jahren schickt Barbara Hast auch eine Parade vielfältiger Becher
hinaus in die Welt, die in Form und Ausdruck davon erzählen, wie
spannend es ist, ihre gemusterten Bäuche zu umfassen und ein warmes
Getränk daraus zu schlürfen oder einen kleinen Feldblumenstrauss
darin zurecht zu zupfen. Die Gesellschaft all dieser
aufmerksamen Prozellane erinnert an die Kostbarkeit von Zeit und
schönen Momenten.
Für eine andere Serie scheint Barbara
Hast Unterwasserwelt-Fantasien vor Augen gehabt zu haben. Abstrakte
Seeannemonen, Korallengebilde und Muschelgehäuse sind Vorbild für
Objekte, die nur mehr Augenschmaus sein möchten und keinerlei
Nutzung nahe legen. An ihnen lebt Barbara Hast ihrer ganze
Detailverliebtheit mit unbändiger Gestaltungsfreude aus. Hinzu kommt
das Moment erstarrter Bewegung, das Wogende eines fiktiven
Wasserstroms, das dynamische Aufspritzen einer Flüssigkeit, das sie
geradezu magisch festhält für diesen Moment, einen Atemzug und die
Ewigkeit.
Monochrome Reliefmalerei bekleidet mit
seinem raffinierten Schattenspiel die Flächen der Porzellane von
Barbara Hast. Mal im Stil der Renaissance, mal dekorativ
folkloristisch, mal als Schneegestöber einer Tupfenstruktur. Die
Muster werden mit auf sorgfältig abgemixten Porzellanschlicker und
ruhigster Hand aufgetragen. Reine Meditation, die viel Raum für
Gedankenspaziergänge lässt. So gibt eins das andere, wird als Idee
geboren, entwickelt und umgesetzt, um dann wieder selbst zum
Ausgangspunkt für die nächste Schöpfung zu werden, im ständigen
Strom der Assziationen.
Barbara Hast ist selbst ganz und gar
ein Unikat unter den Keramikern. Sie gehört keiner Schule an, sie
verfolgt keine bestimmte Stilrichtung sondern verfolgt ihren ganz
eigenen Weg in ihrem ganz eigenen Tempo. Nach einer Keramiklehre bei
Regina Fleischhut in Bederkesa arbeitete sie zehn Jahre lang in
verschiedenen Werkstätten und machte sich 1996 in Neuendorf/
Schleswig Holstein selbständig. Auf den regionalen Töpfermärkten
zeigte sie ihre Steinzeuggeschirre, deren historisierende Poesie
schon im Ansatz darauf verwies, was noch kommen sollte.
Ich werde nie vergessen, wie ich auf
einem verregneten Sommermarkt in Kellinghusen das erste Mal wenigen
Porzellanbechern und Barbara Hast selbst begegnete. Sofort war ich
von dieser zurückhaltenden Person und ihren so liebevoll gemachten
Objekten eingenommen und wollte mehr, mehr, mehr. Doch Barbara
steckte damals noch tief in der Experimentierphase mit dem Porzellan
und war eher beunruhigt, über den Erfolg ihrer ersten Versuche. Sie
brauchte Zeit. 2004 wurde sie in die Gedok Hamburg aufgenommen, das
mit dem Porzellan klappte inzwischen hervorragend.
Ihre Erfindung der poetischen
Glöckchendosen, aus zart eingefärbter Porzelanmasse gedreht, aussen
UND innen gleichermaßen sorgsam dekoriert, läuteten ihren Erfolg
ein. Von hier aus wuchsen ihre eigenen Ansprüche an ihre Werke und
ihr Aktionsradius. In der ihr eigenen Bescheidenheit und
Entschlossenheit verfolgt sie konsequent und eigenwillig ihren Weg.
Keiner wird sie jeh zur Eile antreiben oder gar etwas vorgeben
können. Sie läßt jede Idee reifen, realisert ihre Geschöpfe mit
ihrem eigenen Sinn für Perfektion und Vollkommenheit. Sie bewahrt
darin das ganze Geheimis der Magie, die ihre Werke ausstrahlen.
Anachronistisch in unserer Gegenwart, in der Zeit Geld ist und Masse
statt Klasse dominiert. Barbara Hast vermag mit ihrer anderen
Zeitrechnung und ihrem eigenen Qualitätsanspruch alle anderen zu
verzaubern. Ihre Objekte machen auf bewundernswert subtile Art den
wesentlichen Unterschied deutlich.
© Schnuppe von Gwinner 2012 - veröffentlicht in der Zeitschrift Kunsthandwerk & Design 04/2012
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